Neuer Anfang auf Wienhagen by Lise Gast

Neuer Anfang auf Wienhagen by Lise Gast

Autor:Lise Gast [Gast, Lise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-05-05T00:00:00+00:00


Zukunftspläne

„Nanu?“ fragte Detlev, während er in der Eßzimmertür stehen blieb. Der Tisch war gedeckt, aber niemand saß dran. Dabei war es zwanzig nach zwölf, und auf dem Land muß pünktlich gegessen werden.

Gewöhnlich aß Detlev nach. Heute aber war er früher aus der Schule gekommen. Was war denn da wieder los?

„Gar nichts. Oder vielmehr: was Großartiges!“ sagte Mutter und lachte ihm in weißer Schürze und gepunktetem Kopftuch entgegen, als er in die Küche guckte. „Marie mußte heute zu einem Verwandtenbesuch, sie kommt erst übermorgen wieder. Und Humke ist auch fort. Merkst du was?“

Sie sah frisch und übermütig aus, wahrhaftig beinahe, als wären die letzten Jahre nicht gewesen. Ihre Backen brannten — der Herd heizte wie verrückt —, die Nasenspitze hatte einen Mehlfleck, und es roch, ach, es roch so gut!

„Waffeln?“ fragte Detlev und hob witternd die Nase. Mutter antwortete nicht, sie öffnete soeben, eifrig und nicht ohne Mühe, die große, eiserne Waffelform, in der, sternförmig angeordnet, fünf etwa handgroße Herzen schimmerten, im schönsten Goldbraun, duftend vor Knusprigkeit und Frische.

Detlev hätte kein Mann sein müssen, wenn ihm bei diesem Anblick nicht das Herz aufgegangen und das Wasser nicht im Munde zusammengelaufen wäre.

„Aha, Ostern und Pfingsten fallen heute auf einen Tag.“ Er kam näher. Mutter hob mit der Spicknadel das heiße Waffelkleeblatt flink und geschickt aus dem Eisen und ließ dann neuen Teig hineinrinnen, während sie weiterredete.

„Nimm, Detlev, frisch schmecken sie am besten.“

„Danke. Wahrhaftig, so was habe ich lange nicht ...“ Sein Murmeln erstarb, er stand und kaute, und Mutter lachte ihn an.

Was tat es doch gut, hier am Herd zu lehnen und zu futtern, weltvergessen und sorgenferne! Draußen war es unfreundlich, naß und kalt. Er dachte an das erste Jahr, in dem Mutter bei ihnen gewesen war. Nie hatten sie eine so fröhliche, warme und geheimnisvolle Adventszeit erlebt wie in jenem Jahr. Damals war ihm der Begriff „Mutter“ erst richtig aufgegangen.

Mutter war so gern fröhlich und stets bereit, zu lachen. Detlev hatte das Gefühl, als taute etwas von seinem Herzen herunter. Urlaub von den Sorgen — man müßte auch das einmal können oder lernen. Als die Mädel in die Küche kamen — auch auf dem Umweg durch das leere Eßzimmer —, fanden sie ihren ältesten Bruder in der Fensternische hockend, „vollgefuttert bis zum Rand“, wie er sofort erklärte, einen Becher Kaffee neben sich und eine Zigarette rauchend. Und Mutter strahlte und wies auf den fast halbmeterhohen Stapel Waffeln, der auf dem Herd wartete.

„Wundervoll. Nur schade, daß Heiner und Rüdi nicht dabei sind!“

Im selben Augenblick schrillte das Telefon. Detlev lief den Flur entlang, kam nach ein paar Minuten zurück.

„Wer sagte da etwas von Heiner und Rüdi? Wenn man den Esel nennt —“

„Hat die Schule angerufen?“ fragte Mutter. Detlev nickte. Mutter setzte sich.

„Haben sie — —“ Sie sprach nicht weiter. Detlev, dem selbst nicht ganz behaglich zumute gewesen war, winkte ab.

„Warum sollen die denn gleich wieder etwas ausgefressen haben“, sagte er tröstend, „du siehst Gespenster, Mutter!“ Dann aber konnte er es nicht mehr aushalten und ließ die Katze aus dem Sack.

„Einer der dortigen Lehrer — ich hab den Namen nicht verstanden — kommt her.



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